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Geistreich-ironischer Krimi vor dem Hintergrund des traditionellen "Palio" in Siena. (DR) Der "Palio" in Siena ist Ausgangs- und Kulminationspunkt dieses raffiniert konstruierten Krimis "im Rückwärtsgang", der gleichzeitig die minutiöse Rekonstruktion einer Lebenskrise ist. Von einem Fenster aus betrachtet der Mailänder Anwalt Enzo Maggioni die zeremoniellen Vorbereitungen des traditionsreichen italienischen Pferderennens. Vor drei Tagen noch, als er mit seiner Frau Valeria eine Urlaubsfahrt in die Toscana antrat, war er ein durchschnittlicher Italiener, der eine durchschnittliche Ehe führte und sich in seinem durchschnittlichen Leben gut eingerichtet hatte. Nun steht er hier, den Arm um eine junge Frau gelegt, die er kaum kennt, und blickt ebenso verwirrt und beunruhigt auf das bunte Treiben unter ihm wie auf die Ereignisse, die hinter ihm liegen. Getrieben von der detektivischen Sucht, "alles begreifen und klassifizieren zu wollen", rekonstruiert Maggioni Bild für Bild die Stationen seiner Verstörung: Da waren der plötzliche Hagel, der mitten im Sommer über der Toscana niederging, und die mysteriöse Villa, in der das biedere Ehepaar Unterschlupf fand. Da war der zwergenhafte Jockey Puddu, der die Mailänder Anwaltsfrau in den Po biß und der später ermordet in der Bibliothek gefunden wurde. Und da war die schöne, fast schon vergessen geglaubtes Begehren entfachende Ginevra. - Um die Auflösung eines Kriminalfalles geht es im "Palio der toten Reiter" nur vordergründig, dem Leser wird vielmehr vorgeführt, was passiert, wenn einem Durchschnittsmenschen das Abenteuer begegnet. Mit bewährt bissigem Humor und genüßlicher Ironie läßt das Autorenduo Fruttero und Lucentini jahrhundertealte Rituale und eine von Konsum und Fernsehen geprägte moderne Wirklichkeit aufeinandertreffen und entfaltet ein spannendes, atemloses Wechselspiel von Wahrscheinlichkeiten und Möglichkeiten. Ein spielerischer Umgang mit Klischees, Stereotypen und Genres, treffende Dialoge und geistreiche Reflexionen über das Schreiben machen das Lesevergnügen perfekt. - Wie alle anderen Romane der beiden Italiener allen Bibliotheken sehr empfohlen. *bn* Christiane Schnalzer |
